Landwirte aus Leidenschaft

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Sie ist Landwirtin aus Leidenschaft. Engagiert und mit einem großen Erfahrungsschatz ausgestattet setzt sie sich für ihren Berufsstand ein. Wie Claudia Müller zur Landwirtschaft kam und was den Weidenhof in Wächtersbach heute auszeichnet, hat die engagierte Landwirtin uns in einem Gespräch erzählt. Wir stellen den Milchviehbetrieb im Main-Kinzig-Kreis vor.

Den Weidenhof kannte Claudia Müller schon als Kind, sie wuchs unter dem Mädchennamen Rasch in Neudorf auf. Dass man Landwirtschaft auch studieren kann, erfuhr sie erst über die Berufsberatung in der 13. Klasse. Nach einem einjährigen Fachpraktikum auf dem Weidenhof blieb sie. Auf dem traditionsreichen Betrieb und bei Achim Müller, mit dem sie seither die Geschicke des Weidenhofes leitet. Bereits vor ihrem Praktikum hatte der ehemalige Gemischtbetrieb sich von Schweinen, Hühnern und Pferden getrennt und ganz auf die Kuhhaltung gesetzt. Nach dem Generationenwechsel entwickelten Achim und Claudia Müller den Milchviehbetrieb weiter. 1995 stiegen sie in die Direktvermarktung ein.

Achim und Claudia Müller

Achim und Claudia Müller betreiben gemeinsam den Vorzugsmilchbetrieb Weidenhof in Wächtersbach.

Die passionierte Landwirtin erinnert sich gern an die Fachhochschule, die als erste im Bundesgebiet einen biologischen Studiengang anbot und noch heute einer der renommierten Standorte für biologische Landwirtschaft ist. „Eine kleine schöne Fachhochschule mit super guten Professoren und grundsolider Ausbildung“, fasst Müller zusammen. „In diesem Studium haben wir ein ziemlich intensives Netzwerk gehabt mit Studienkollegen, die alle selbstständige Fachleute und Berater geworden sind – aus diesem Netzwerk zehren wir Aktiven immer noch.“ Sie selbst spezialisierte sich damals auf alles, was mit Tieren zu tun hat: Tierhaltung, Tierernährung, und entdeckte früh ihre Freude am Umgang mit Kunden, die Lust, sich auch ernährungspolitisch im Rahmen der regionalen direktvermarktenden Landwirtschaft zu engagieren.

Am 24. Januar 2019 spricht Claudia Müller im Rahmen der Internationalen Grünen Woche beim Zukunftsforum Ländliche Entwicklung 2019. Thema der Veranstaltung, die von dem Bundesverband der Regionalbewegung e.V. initiiert und von Geschmackstage Deutschland e.V. unterstützt wird: Intelligente Logistik. Innovative Distributionslösungen für die Zukunft der ländlichen Räume. Die Moderation übernimmt Ulrich Frohnmeyer.

Der Weidenhof ist ein Milchviehbetrieb. Die Nachfrage nach Milch ist hoch, berichtet Müller. Allein in 2018 produziert der Weidenhof 700.000 Liter Milch direkt in der eigenen Hofmolkerei. 50.000 Liter pro Jahr davon vermarkten sie roh, als Vorzugsmilch. Der Weidenhof ist der einzige Betrieb in Hessen mit einer Zulassung, das sensible Frischeprodukt naturbelassen zu vertreiben. Der Vorteil: Vorzugsmilch wird nicht erhitzt, enthält also alle wertvollen Inhaltsstoffen der Milch. Der Nachteil: Sie darf laut Gesetzgebung nur 96 Stunden nach dem Melken abgegeben werden. Das ist eine Herausforderung für den regionalen Lebensmitteleinzelhandel – und eine Chance für den Lieferservice, mit dem die Direktvermarkter ihren Kunden die Milchprodukte bis vor die Haustür bringen. Das setzt eine hohe Serviceorientierung und umfassendes unternehmerisches Know-How, verbunden mit einem hohen Einsatz.

Der luftige, helle Stall vom Weidenhof.

Das Unternehmer-Gen liegt in der Familie. Die Verbundenheit mit der Region auch. Alle Geschwister von Achim Müller und seiner Frau leiten eigene Unternehmungen, eine Schwester von Claudia Müller arbeitete zeitweilig im Hofladen mit und führt jetzt wieder ihren eigenen Dorfladen. Ein toller Service für die Bewohner, den aufrecht zu erhalten eine Herausforderung darstellt. „Die Bequemlichkeit der Verbraucher ist der Feind kleiner ländlicher Strukturen“ stellt Müller nüchtern fest. Gute Qualität und Freundlichkeit sei das A und O. Dazu komme, dass man formal die gleichen Anforderungen zu erfüllen habe wie große Geschäfte. Dadurch brechen auf den Dörfern viele kleine Betriebe weg, zum Beispiel Metzger.

INNOVATION UND TRENDBEWUSSTSEIN IM HANDWERKLICHEN BETRIEB

Positiv sieht Müller gegenwärtig Trends und Entwicklungen in den Städten. Die Plastik-Mehrweg-Diskussion wirkt sich positiv auf das Pfandsystem der Direktvermarkter aus. Bis nach Frankfurt am Main hinein liefert der Weidenhof seine Milchprodukte. Gut für die vielen Cafés, die hier neu entstehen und meist über Empfehlung auf Qualität und Geschmack der Weidenhof Landmilch aufmerksam werden. „Vorzugsmilch liefern wir in Frankfurt aktuell hauptsächlich an Manufactum brot&butter“, so Müller. „Das Personal ist besonders geschult im Umgang mit der naturbelassenen Milch. Die anderen Cafés arbeiten sehr gut und gern mit der pasteurisierten Landmilch, die auch eine tolle, vollmundige Crema macht.“

Die vielseitige Landwirtin in der eigenen Hofmolkerei in ihrem Element

Die vielseitige Landwirtin in der eigenen Hofmolkerei in ihrem Element.

Darüber hinaus kooperiert der Weidenhof als ausgezeichneter Landmarkt-Betrieb mit dem regionalen Lebensmitteleinzelhandel und ausgewählten Partnerbetrieben. Der Weidenhof hat heute fast 40 Mitarbeiter, beliefert regelmäßig über 550 Haushalte, betreibt seit 2007 einen eigenen Hofladen, in dem neben Fleisch und Milchprodukten der eigenen Tiere auch regionale Produkte ausgewählter Partnerbetriebe zu kaufen sind. Seit 2013 führen zwei Mitarbeiterinnen der Müllers mit dem Q ein beliebtes Ausflugslokal auf dem Weidenhof. Achim Müller verantwortet die Landwirtschaft und alle baulichen Aktivitäten des Betriebes.

Claudia Müller steuert Molkerei und Stall mit wachem Blick – und, ganz modern, über ihr Mobiltelefon. „Auf meinem Handy hab ich die komplette Überwachung von dem Betrieb drüben in Aufenau. So habe ich den Betrieb und den Melkroboter im Blick ohne immer rüber fahren zu müssen.“, so Müller. „Auch hier im Stall nutzen wir die Vorteile der Digitalisierung, vom Managementsystemen bis zur Datenverwaltung. Ich finde das hilfreich, nutze das, soweit ich kann und profitiere von den Infos, die ich so über unsere Kühe bekomme.“ Das ändere nichts daran, dass sie sich beim Melken immer noch am besten besinnen kann, lacht Müller. Der unmittelbare Kontakt mit den Tieren sei ihr heute so wichtig wie damals in der Ausbildung.

Milchkühe

Auf die Frage, was sie sich für den Betrieb und für die Zukunft wünschst, wird Claudia Müller nachdenklich. „Wir sind so ein toller Betrieb. Bewahren Traditionen und gehen mit der Zeit. Trotzdem stehen wir vor der Frage, wie wir den Weidenhof weiter entwickeln. Das Tolle ist, er kann theoretisch in alle Richtungen weiter entwickelt werden. Das Schwierige ist, das selbst die Einhaltung aller Vorgaben und Forderungen der Politik von Biogas-Anlage bis Kreislaufwirtschaft nicht dazu führt, dass man besser wirtschaften kann. Unseren Tieren geht es gut, unsere Produkte sind beliebt, wir machen Öffentlichkeitsarbeit, werben um Austausch und Dialog mit der Bevölkerung, geben jeden Tag unser Allerbestes. Doch die politischen und gesetzlichen Hemmnisse für den Betrieb sind enorm. Wir sind gespannt wie es weitergeht.“

DER WEIDENHOF AUF DER INTERNATIONALEN GRÜNEN WOCHE 2019

Der Bundesverband der Regionalbewegung e.V. lädt Sie herzlich ein zu seinem
Begleitforum „Intelligente Mikrologistik: Innovative Distributionslösungen
für die Zukunft der ländlichen Räume“ am 24. Januar 2019 von 10 bis 12 Uhr
im CityCube in Berlin.

Ein wirtschaftlich tragfähiges Logistiksystem ist für
Regionalvermarktungsinitiativen oft eine große Herausforderung und
essenziell für ihren langfristigen Erfolg. Bisher scheitern die Konzepte oft
an den hohen Kosten. Daher müssen bestehende Strukturen, Kapazitäten und
Angebote stärker miteinander verknüpft und genutzt werden.

Auf dem Zukunftsforum Ländliche Entwicklung stellt das Netzwerk
RegioLogistik unter dem Dach des Bundesverbandes der Regionalbewegung
kreative und effiziente regionale Logistik-Modelle vor und lädt zur
Diskussion ein.